Karl-Heinz Klopf
HORCH
Linz 1982 / Innsbruck 1993
Das Potential des öffentlichen Raumes ist die Kommunikation. Die Informationen, nach denen wir uns orientieren und verständigen, erscheinen an den Oberflächen der Architekturen und Bildschirme. Die Sprache der Massenkulturen präsentiert sich im öffentlichen Raum am urbanen Platz (Ort) genauso wie am (Ort) Bildschirm in reiner und verdichteter Form.
Aus der Distanz betrachtet, empfinde ich dabei ein Rauschen, das sich aus den unendlich vielen Bildern, Texten und Tönen zusammensetzt und überlagert. Ein Rauschen, das permanent vorhanden ist, sich in die Körper hinein fortsetzt und immer lauter wird.
1980 begann ich, audiovisuelle und kommunikative Strukturen zu untersuchen, zu verknüpfen und in meine Arbeit einzubeziehen. Im elektronischen Bereich gab es schon vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten. Dieser Weg, der meistens auch mit viel Technikkenntnis verbunden war, hat mich weniger interessiert, und ich versuchte auf unmittelbare und lapidare Weise das Feld zu erforschen. Daraus haben sich zwei Arbeiten entwickelt: das Wasserkla4 (ein eher mechanisches als elektronisches Konstrukt), mit dem ich verschiedene Performances machte, und Installationen mit dem Wort HORCH - eine Arbeit, die ohne John Cages 4'33" (1952), Josef Beuys' Infiltration homogen für Konzertflügel (1966), das Werk von Robert Barry und auch Robert Venturis Architekturtheorien wahrscheinlich nicht entstanden wäre.
Die erste Version von HORCH entstand 1981 in verschiedenen Sprachen, die ich in Form klassischer gerahmter Schriftbilder ausgeführt und in der Hochschule für Gestaltung in Linz ausgestellt habe. Dabei installierte ich die einzelnen HORCH so, dass sie nie nebeneinander, sondern in großen Abständen oder in verschiedenen Räumen auftauchten. Es konnte dabei vorkommen, dass man zuerst mit Sprachen konfrontiert wurde, die man nicht kannte. Für den Rezipienten blieb so lange Stille, bis man das akustische Potential der Arbeit durch die Sprache erfahren hat. Immer war der ganze akustische Umraum des ins Bewusstsein gerufenen Wortes Teil der Arbeit. Es ist die Idee, mittels eines Begriffes, den man visuell wahrnimmt und versteht, auf den akustischen Raum hinzuweisen, um auf elementare Weise Synästhetik zu schaffen. Kognitive Vorgänge machen das möglich.
Noch mehr Wirksamkeit erwartete ich mir von der Montage des Wortes HORCH auf einer Fassade in Linz-Urfahr. Der Hörraum war nun derjenige der Stadt. Optisch knüpfte das Wort an die appellierenden Begriffe in öffentlichen Räumen an, wie sie auf Orientierungstafeln, Billboards etc. vorkommen. Die Präsenz der großen Versalien erzielte eine größere Aufmerksamkeit. 1982 wurde vom ORF-Landesstudio Vorarlberg ein „Klangmaschinenfilm“ produziert, worin HORCH leitmotivisch mehrere Male auftauchte. Im filmischen Kontext ging die ursprüngliche Intention der Arbeit verloren, gleichzeitig wurde der Prozess Wahrnehmen (Sehen) – Verstehen (Sprache) – Wahrnehmen (Hören) als imaginärer Apparat den virtuosen klangerzeugenden Gebilden gleichgestellt. Ursprünglich nicht für das Fernsehen konzipiert, erreichte HORCH somit ein breiteres Publikum. Die Kontextverschiebung erwies sich als positives Moment, da durch die Ausstrahlung im Fernsehen wiederum auf die Arbeit in situ hingewiesen wurde. Solche Korrelationen von Wirklichkeiten sind spannende Prozesse, durch die Mediatisierung des Alltags sind wir diesen ständig ausgesetzt.
In Folge konzipierte ich auch Möglichkeiten, HORCH im Fernsehen und im Radio aufzuführen. Für das Symposion On The Air habe ich eine silberfarbene Plane mit dem Wort HORCH in roten Buchstaben an der Fassade des ORF-Landesstudios Tirol montiert. Autofahrer und Fußgänger, die sich, von der Stadt kommend, dem Landesstudio näherten, konnten den fast sechs Meter langen Schriftzug schon von weitem deutlich wahrnehmen. Dadurch erzielte die Arbeit erneut eine weitere Bedeutung und Wirkung. Der Begriff war real mit der Architektur, virtuell mit der Funktion des Funkhauses verbunden und verwies somit auf den sendenden, hörbaren öffentlichen Raum. Nicht die an den Empfängern sitzenden Konsumenten wurden auf die Installation an dem bestimmten Ort und auf das dort stattfindende Ereignis (Symposion) hingewiesen – es war für sie gar nicht existent –, sondern die Passanten und die Teilnehmer vor Ort wurden auf das Geschehen (Rauschen) „on the air“, auf den (Daten-)Raum und, daraus folgend, auf mögliche Rezipienten aufmerksam gemacht.
Erschienen in: On the Air, Kunst im öffentlichen Datenraum. Transit, Innsbruck 1993.