Marc Ries
UNIVERSALIEN-BILDER UND DIESHEITIGE KÖRPER
Anmerkungen zu den Filmen By Way of Display (2003) und Plan (2011)
Man sollte die von Karl-Heinz Klopf etwa in den Videoarbeiten By Way of Display und Plan angewendete Beobachtungstechnik, besser Beobachtungsgabe in eine Prädikation holen, die als Stille und Anteilnahme, als Anamnese und Diagnose gleichermaßen verstanden werden will. Zuallererst ist es die geographische Ferne der Bildmotive, die aufmerksam macht. Ferne Kulturen wohl, die trotz offensichtlicher Eigenarten in dem, was die Bilder zeigen und aussagen, eine inhärente Ähnlichkeit zu westlichen System-Mustern aufweisen. Die Identifikation der Geschehen – hier Straßenverkauf, dort Bauplanung – ist einfach, jedoch wird diese nicht in tautologische Narrationen überführt. Substantieller für das Bildgeschehen sind tatsächlich die Austragungsorte, die körperlich-gestischen Dramaturgien, die Verhandlungen und Verhältnisse, die Akteure und Dinge untereinander eingehen und demonstrieren. Still sind sie, diese Einstellungen, weil sie am Ort der Geschehen von wie im Mobiliar oder im Raum selbst inkorporierte Apparaturen verfaßt werden. Die Kamera ist teilnehmend ohne Teilnahme, ihr Blickfeld ist oftmals eng und verdichtend, oder beiläufig und indifferent. Jederzeit jedoch, so der Eindruck, wollen diese Bilder inmitten der teilnahmlosen Teilnahme dasjenigen aus ihren Beobachtungen herausstellen, was sich in den aufgezeichneten Mikrostrukturen alltäglicher Handlungen, im inszenierten Verkauf der Betelnuss-Mädchen in Taipeh oder in der geplanten Inszenierung von Bauvolumen der Architekten in Peking, als Universalie dieser Operationen artikuliert. Das Universelle als eine eigenwillige Mischung – und das ist gerade das Ungewöhnliche dieser filmischen Beobachtungen – aus ökonomischen und menschlichen Allgemeinheiten. Oder, anders gesagt, aus wertbasierten Handlungen und körperlich-gestisch ausagierten Bekundungen. Wie aber zeigt man ein Verkaufen, ein Arbeiten an Konzepten, stets aber ein Überzeugen-Wollen, einzig aus der Situation der Akteure selbst heraus, ohne »Inszenierung«, ohne »Kommentar«, ohne »deduktive Zurichtung«? Das Interesse, das alledem zugrundeliegt, ist tatsächlich ein solches, also Herstellen eines filmisch-emphatischen Dazwischen der Akteure. Alle – die Mädchen, die Architekten und der Künstler – teilen denselben Ort, alle sind in ihre Arbeitsvorgänge vertieft, alle konzentrieren sich auf ihr Wesentliches und vermutlich vermögen die von Karl-Heinz Klopf aufgezeichneten Akteure den Filmemacher gleichermaßen in ihre Tätigkeiten einzubeziehen. Das »Display« reagiert und interagiert ebenso auf die Kamera und mit der Kamera, wie der »Plan«. Eine Anamnese, das ist zuvorderst eine Befragung, die sich erkundend ihrem Gegenstand in all seinem kontingentem und bestimmten Tun nähert, diese versucht aufeinander zu beziehen, also, die ökonomische Bedingtheit mit den individuiert-differenten Bewegungen zu verbinden, eine bio-historische Spur innerhalb der Systeme aufzudecken. Notwendig jedoch ist die Diagnose. Und die zielt, wie ich meine, weniger auf eine Verfallsgeschichte der Körper (Disziplin, Unterwerfung, Entfremdung), denn auf ein subtiles Aufzeigen konträrer Kräfteaustragung mit unentschiedenem Ausgang. Der inszenierte Frauen-Körper, sein ungerichtetes Auf und Ab, das illuminierte Gehäuse der Betelnusscontainer in Taipeh, sie sind zugleich eigenwillige Ablenkung vom Wesentlichen und seine Feier. Die exemplarische Kleidung der Architekten, ihre überornamentiert-gestische »Handarbeit«, aber auch ihre Ermüdungen und Erschöpfungen, sie verstricken kreativ-industrielle Manier mit dem Eigensinn der Körper. Bezeichnenderweise wird dieser letzte zu einer Zeit »entdeckt«, als die Erkenntnis der Universalien ihren systematischen Höhepunkt erreicht hatte und »unsere« ökonomische Ordnung sich inthronisierte. Im 14. Jahrhundert wird man aufmerksam auf das Einzelne, das Unterscheidbare, das Individuelle, auf eine »Diesheit« (haecceitas) innerhalb der Allgemeinheit der Systeme. Ich meine, dass Karl-Heinz Klopf in der Beobachtung so unterschiedlicher kultureller Szenen das Körperhaft-Körperliche im Unkörperlichen der habituellen Ordnungen wiederentdeckt.