Martin Hochleitner
FROM LINZ TO 2006
STUDIUM
Karl-Heinz Klopf studierte von 1977 bis 1982 an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz (heute Kunstuniversität Linz). Die 1947 als Kunstschule gegründete Institution erlebte in diesem Zeitraum eine ausgesprochen produktive Phase, in deren Sog sich die Gegenwartskunst in Linz zunehmend an internationalen Standards zu orientieren begann. So realisierte die Kunsthochschule im Jahr von Klopfs Studienbeginn 1977 in Kooperation mit der Neuen Galerie der Stadt Linz das Forum Metall. Parallel zur 1977 ebenfalls zum ersten Mal durchgeführten Skulpturenausstellung in Münster erwies sich dieses Projekt als eines der ambitioniertesten Vorhaben zur Skulptur im öffentlichen Raum. Arbeiten von Herbert Bayer, Max Bill, Haus-Rucker-Co., Erwin Heerich, Donald Judd, Piotr Kowalski, Bernhard Luginbühl, Eduardo Paolozzi, David Rabinowitch, Erwin Reiter, Klaus Rinke sowie Günther Uecker repräsentierten einen hohen Qualitätsanspruch der Veranstaltung, die insgesamt auf einer Idee von Helmuth Gsöllpointner beruhte. Er leitete an der Kunsthochschule die Meisterklasse Metall, in der auch Karl-Heinz Klopf studierte.
Ein Teil des Selbstverständnisses von Gsöllpointners Ausbildung war die Reihe Forum Stahl. Bei diesen Projekten entwickelten StudentInnen ab 1971 im Rahmen ihrer Ausbildung Arbeiten in der VOEST und präsentierten sie durch eigene Ausstellungen. Als Laurids Ortner an die Kunsthochschule kam, entstand im Laufe der 1970er Jahre zwischen ihm und Gsöllpointner der Gedanke, das Konzept international zu erweitern und die zunehmende künstlerische Produktionskompetenz der VOEST mit einer Einladung an insgesamt zwölf Positionen der zeitgenössischen Metallplastik zu verbinden. Die Idee wurde durch Peter Baum als Direktor der Neuen Galerie der Stadt Linz maßgeblich unterstützt und als Forum Metall 1977 realisiert.
Der Erfolg lieferte den Impuls, dass knapp drei Jahre später und als Höhepunkt der damaligen Entwicklung im Sommer 1980 das Forum Design in Linz durchgeführt werden konnte. Es war dies bis heute eines der größten Kunstprojekte Europas, das durch seine Konzeption und spezielle Ausstellungsarchitektur für internationale Furore sorgte. Klopf interessierte am Forum Design besonders die interdisziplinäre und transmediale Ausrichtung; Kunst, Design, Architektur, Ausstellungsgestaltung, Grafik, Event und Publikation flossen ganz selbstverständlich ineinander und ergaben ein kompaktes Display.
Für Klopf waren beide Projekte fixer Bestandteil einer akademischen Prägung, in deren Mittelpunkt die beiden unterschiedlichen Werkkonzeptionen von Helmuth Gsöllpointner und Laurids Ortner standen. Viele Formüberlegungen Gsöllpointners wurden von ihrer technischen Machbarkeit mitbestimmt bzw. angeregt. Gsöllpointner entwickelte architektonische Körper, die in unterschiedlichsten Kontexten funktionierten. Sein besonderes Interesse galt dem öffentlichen Raum und architekturbezogenen Projekten. Im Sinne der eigenen künstlerischen Grundeinstellung verfolgte er in der Meisterklasse das Ausbildungsziel, seinen Studenten handwerkliche Grundfähigkeiten für die Umsetzung künstlerischer Ideen zu vermitteln. Gsöllpointner intendierte dabei keine bestimmte Formensprache. Vielmehr interessierte ihn, im Rahmen der Ausbildung Themen als Fragen an seine Studierenden zu stellen. Dabei achtete er auf die technische Umsetzung der entsprechenden Antworten und initiierte parallel permanente Diskussionen über die Idee an sich. Kontinuierlich lud Gsöllpointner Persönlichkeiten der internationalen Kunstszene für Projekte und Lehraufträge nach Linz ein. So auch den deutsch-mexikanischen Künstler Mathias Goeritz, mit dessen Arbeiten für öffentliche Räume sich Klopf dadurch nachhaltig auseinandersetzen konnte. Nach außen verfügte Gsöllpointner über gute Kontakte zu potentiellen Auftraggebern und zur Industrie, die er für die Ausbildung und verschiedene Kooperationsprojekte nutzte.
Ortner prägte die Studienjahre von Klopf vor allem durch den von ihm vermittelten Architekturbegriff. Hierfür gab es zwei Berührungspunkte: Einerseits in der von Ortner an der Kunsthochschule geleiteten Grundklasse für visuelle Gestaltung, deren Lehrangebot als Einführung von allen Studiengängen belegt wurde. Andererseits im ebenfalls von ihm geleiteten Institut für visuelle Gestaltung, in dem Klopf neben seinem Studium mitarbeitete. Ortners Vorstellungen von Raum, Architektur und Urbanismus eröffneten Experimentierfelder in einer Sphäre von Utopie, Künstlichkeit und Science Fiction und durchbrachen tradierte Gattungsgrenzen zwischen Architektur und bildender Kunst. Als Teil der Gruppe Haus-Rucker-Co. war Ortner in den 1970er Jahren auch einer der erfolgreichsten Künstler mit Oberösterreichbezug. Der von der Gruppe anlässlich der 6. Documenta 1977 in Kassel realisierte Rahmenbau war Symbol für einen Internationalisierungsschub, der in der Etablierung der Ars Electronica 1979 einen weiteren wichtigen Ausdruck fand.
Wesentliche Impulse für die Ausbildung von Klopf lieferte schließlich auch Gerhard Knogler, der seit den 1970er Jahren ein komplexes Werk an der Schnittstelle von Minimal Art und Konzeptkunst entwickelt hatte. Seine präzise und analytische Vorgangsweise prägte besonders Klopfs Arbeit mit Sprache. Sein Interesse galt dabei weniger der konkreten Dichtung bzw. visuellen Poesie als vielmehr Formen der linguistisch orientierten Konzeptkunst, die zu diesem Zeitpunkt besonders mit Arbeiten von Joseph Kosuth in Verbindung gebracht wurde.
In Summe erwiesen sich die Studienjahre von Klopf als eine wichtige Phase seiner frühen künstlerischen Orientierung. Die Ausbildung förderte bei ihm keinen von Stilprinzipien geprägten Ausdruck in einer bestimmten Kunstgattung, sondern eine werkorientierte Haltung zwischen Architektur und Konzeptkunst.
Das Studium schloss Klopf 1982 mit seiner Diplomarbeit Wasserkla4 ab. Ein mit Wasser gefülltes Klavier diente dem Künstler als Zentrum einer Performance, in deren Verlauf er Zufallskompositionen erzeugte. Bei einer Aufführung in der Neuen Galerie der Stadt Linz wurde die Performance medientechnisch erweitert. Das Publikum konnte über zwei Monitore simultan Nahaufnahmen des Geschehens am Wasserkla4 verfolgen. Klopf bewegte sich zwischen visuellen und akustischen Denkmustern, die er als eine Entgrenzung der klassischen Disziplinen verfolgte.
ZEICHNUNGEN
1987 gewann Klopf den ersten Preis beim Römerquelle-Kunstwettbewerb. Der Preis wurde seit 1980 jährlich ausgeschrieben und jeweils an eine Position der österreichischen Zeichnung vergeben. Vom Profil der ausgezeichneten Arbeiten und dem Selbstverständnis des Preises wurde der Wettbewerb symptomatischer Ausdruck der österreichischen Kunstsituation in den 1980er Jahren. Viele der ausgezeichneten Werke vermittelten einen für die Postmoderne in Österreich charakteristischen Postexpressionismus, der vor allem unter dem Schlagwort der „Neuen Malerei“ von einem typisierenden Realismus und einem expressiven Verismus bestimmt wurde. Nachdem der Künstler schon 1985 erfolgreich an der 3. Triennale der Zeichnung in Nürnberg teilgenommen hatte, bedeutete der nunmehrige Preis einen der wichtigsten Impulse für die Rezeption seiner zeichnerischen Arbeit in den 1980er Jahren. Allerdings erfolgte hierdurch eine Kontextualisierung seiner Position, die nur bedingt seinem Selbstverständnis und seiner bisherigen Werkgeschichte entsprach. Die Kategorisierung von Klopf als typischem Vertreter der österreichischen Zeichnung fand schließlich in der Ausstellung Oberösterreichs Avantgarde 1900–1990 in der Neuen Galerie der Stadt Linz ihren Höhepunkt. In Verbindung mit anderen Positionen, wie jenen von Franz Blaas und Ulrich Waibel, wurde Klopf vom damaligen Museumsdirektor Peter Baum als “Zeichner mit einer [...] spür-baren Nähe zur Natur” gesehen. Sein “zeichnerisches Verständnis basiere auf einer starken emotionalisierten Auseinandersetzung“. Insgesamt manifestierte sich in einer derartigen Einschätzung ein um 1980 in der Kunstdiskussion etabliertes Gegensatzpaar von Sinnlichkeit und Intellektualität, das für die Arbeit von Klopf allerdings keine Gültigkeit besitzen sollte. Seine Zeichnungen hatten auch nichts mit einer Lösung vom konzeptuellen Kontext der 1970er Jahre zu tun. Vielmehr waren sie Teil einer künstlerischen Arbeitsweise, die – ohne Fixierung von isolierten Bildideen – schon immer auf die Zeichnung zugegriffen hatte.
Obwohl es durchaus formale Übereinstimmungen mit Franz Blaas und Karl-Heinz Ströhle gab und die Künstler 1986 auch gemeinsam an der Akademie für bildende Kunst in Budapest ausstellten, waren Klopfs Zeichnungen mit anderen Schwerpunktsetzungen versehen. Ihn interessierte das Verhältnis zwischen Zeichnung, Objekt und Raum. Dabei erschien ihm die Zeichnung als ein besonders einfaches und lapidares Mittel, um künstlerische Ideen einerseits zu verdichten und andererseits in den Raum wirksam werden zu lassen. Weniger als die konkrete Zeichnung suchte Klopf in den 1980er Jahren nach Möglichkeiten, mit Zeichnungen Orte zwischen Bild und Wirklichkeit zu besetzen. So präsentierte er von ihm bezeichnete Kartons als Objekte auf an der Wand montierten Holzkonsolen. Gleichzeitig arbeitete Klopf auch auf Dächern von Wohnhäusern in Wien. Performance-artig setzte er bei seinen “Dachzeichnungen” von 1985 mit vorgefundenen Mörtelbrocken temporäre Markierungen, die viele seiner späteren Transformationsüberlegungen von Architektur und Stadtraum vorwegnahmen.
(FRÜHE) REISEN
Reisen und Auslandsaufenthalte durch Projekte, Stipendien und Ausstellungen spielten bislang eine wichtige Rolle für das Werk von Karl-Heinz Klopf.
Schon während seines Studiums führten ihn mehrere Reisen nach New York zu einer Auseinandersetzung mit der Grundrissform von Manhattan. Die Silhouette der Insel wurde zum Thema mehrerer Arbeiten und fungierte als Schablone für einen Stadtraum, der damals das Zentrum der westlichen Kunst repräsentierte. Dabei wechselte er zwischen spielerischen, architektonischen, skulpturalen und modellhaften Überlegungen, die seine persönliche Beschäftigung mit einem Ort immer wieder neu thematisierten. Die frühen Reisen nach New York und die Studien dieser Zeit waren in mehrfacher Hinsicht repräsentativ für die spätere Werkentwicklung. So standen auch die meisten, oft mehrmonatigen Arbeitsaufenthalte zwischen 1985 und 1988 im Zeichen der Auseinandersetzung mit der amerikanischen Kultur. Erst die 1990er Jahre sollten später zu einer intensiveren Begegnung mit Ostasien führen, deren Metropolen Klopf paradigmatischer für gegenwärtige Zustände und Entwicklungsmodelle urbaner Lebensräume erschienen. In den frühen Werken mit und über (die Form von) Manhattan manifestierte sich eine künstlerische Praxis, die eine eigene Erfahrungssituation an einem bestimmten Ort mit einer Analyse ortsspezifischer Strukturen verband. Die Arbeiten der ersten längeren Reisen thematisierten einen subjektiven Blick als Klammer zwischen kollektiven Identitätsmustern und individuellen Wahrnehmungsstrukturen, die selbst wiederum zwischen assoziativen Erinnerungsstrukturen und dokumentarischen Denkansätzen changierten. Gleichzeitig lieferten auch die meisten der weiteren Auslandsaufenthalte des Künstlers Impulse für neue Werkgruppen. Klopfs Arbeit mit Bildpostkarten, die einerseits zu Wandobjekten (1987–1988) verarbeitet wurden und andererseits den Impuls für die Werkserie Kaschierungen (1989–1991) lieferten, gehörte dazu ebenso wie seine späteren Videos von Plätzen bzw. die Bearbeitung von Stadtplänen und vor Ort entstandenen Interviews bei Splace (1996) und Environments (1998). Videos wie Stop Over (1994) oder später Jet Lag (2001) thematisierten schließlich das Reisen selbst.
RÄUME, PLANEN, PLÄTZE
Karl-Heinz Klopf realisierte 1994 die Ausstellung Platz in der Galerie im Stifterhaus in Linz. Das Projekt bestand aus vier Elementen. Im Galerieraum präsentierte der Künstler das Video Platz, ein “Planobjekt” sowie den um einen Pfeiler geschriebenen Schriftzug “PLATZ”. Im Außenraum wurden während der Dauer der Ausstellung etwa 250 Plakate mit einer Liste von verschiedenen Plätzen affichiert.
Vom Konzept her und durch ihre reduzierte Gestaltung war die Ausstellung in der Linzer Galerie ein pointierter Hinweis auf die Position des Künstlers. Die Arbeiten standen zueinander in unmittelbarem Zusammenhang und führten die bisherige Werkgeschichte konsequent weiter. So entsprach der Schriftzug “PLATZ” der schon in den 1980er Jahren in verschiedenen Formen realisierten Arbeit Horch!. Klopf hatte dieses Wort sowohl in der Form von Schriftbildern präsentiert als auch mit großen Lettern an verschiedenen Orten im öffentlichen Raum montiert.
Die “Planobjekte” (1991–1994) setzten wiederum die Auseinandersetzung mit konkreten Orten fort. Wie schon zuvor bei den Manhattan-Arbeiten waren diese mit der Ausführung von Grundrissformen nunmehr zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit in den frühen 1990er Jahren geworden. Aus der Erinnerung malte Klopf bei dieser Objektserie schematische Darstellungen von Plätzen, die für ihn Bedeutung hatten. An der Schnittstelle von Malerei, Objekt und Repräsentationsverfahren der Architektur vermittelten die “Planobjekte” verschiedene Ortserfahrungen des Künstlers. Bei der Ausstellung in der Galerie im Stifterhaus zeigte Klopf etwa genau jenen Ausschnitt vom Linzer Hauptplatz mit dem Brückenkopfgebäude, in dem er sein Studium begonnen hatte.
Im Gegensatz zu dieser subjektiven und mit malerischen Mitteln visualisierten Ortsbeziehung stellte das Video Platz als Abfilmung eines realen Ortes einen anonymen, gleichsam öffentlichen Blick auf eine urbane Situation dar. Dabei wählte der Künstler eine statische Kameraeinstellung von Hochhäusern in verschiedenen Großstädten. Aus dieser Position fokussierte Klopf vor allem Plätze und Kreuzungen, die er ausschließlich in der Nacht filmte. In der Ausstellung verfolgte man somit vor allem den Rhythmus von Bewegungsmomenten und distanzierte Abläufe im öffentlichen Raum von Großstädten.
Insgesamt entwickelte der Künstler bei der Ausstellung in der Galerie im Stifterhaus ein Modell, welches das Thema “Platz” nicht nur in unterschiedlichen Medien vorführte, sondern auch in differenzierte konzeptuelle Beziehungsfelder stellte. Vergleichbar mit den Ansätzen Joseph Kosuths arbeitete auch Klopf mit den verschiedenen Informations- und Erkenntnis-werten von Sprache, Begriff und visuellem Eindruck.
Das Linzer Projekt Platz war eine Weiterführung der 1993 in der Wiener Secession realisierten Einzelausstellung Planen. Im Zugriff auf mehrere Werkgruppen hatte Klopf auf insgesamt drei Etagen der Secession einen Ablauf aus persönlichen Orten der Erinnerung (“Planobjekte”), einem quasi öffentlichen Blick auf eine Stadt (Video Platz) sowie einem Spiel mit der Redundanz von Bildinformationen auf Bildpostkarten (“Kaschierungen”) entwickelt.
CITIES ON THE MOVE
1995 erhielt Klopf die Möglichkeit, durch ein Stipendium der Republik Österreich mehrere Monate in Tokio zu arbeiten. Schon ein Jahr zuvor hatte er für erste Recherchen die Stadt besucht und ein Videointerview mit dem Architekten Toyo Ito führen können. Dieses wurde in seiner Erörterung des grundlegenden Aufbaus und der Schichten von Tokio zu einem wichtigen inhaltlichen Ausgangspunkt des Videos Splace.
Als Teil einer Projektfinanzierung hatte Klopf für die erste Japanreise Anteilsscheine unter dem Titel Ohne Adressen (1994) editiert. Über
den Zeitraum von einem Jahr wurden KäuferInnen mit künstlerisch gestalteten Briefsendungen über das Projekt informiert und waren somit in spezieller Weise in ein Rezeptionsmodell eingebunden.
Für Klopf bedeutete Ohne Adressen einen Zugriff auf Kommunikationsprozesse, die in weiterer Folge zu einem immer wichtigeren Bestandteil vieler seiner Arbeiten werden sollten. Besonders interessierte ihn die Zusammenführung von Kommunikation und Raum. Exemplarisch stand hierfür das Video Environments von 1998. In diesem thematisierte er durch Interviews Raumerfahrungen von Menschen, die als EntwicklerInnen, StudentInnen und KünstlerInnen schon zu diesem Zeitpunkt viel mit dem Internetarbeiteten. Klopf war in den Gesprächen an den unterschiedlichen Informationswerten von Räumen interessiert. So repräsentierten die Erzählungen der Menschen über ihre Erfahrungen mit dem Internet den virtuellen Raum; die simultan zu sehenden Bilder der Stadträume ihre physische Umgebung.
Mit Splace und Environments bearbeitete Klopf ein Themenfeld, das eine symptomatische Zusammenfassung in der von Hou Hanrou und Hans-Ulrich Obrist kuratierten und in sieben Städten gezeigten Wanderausstellung Cities on the Move (1997–2000) finden sollte.
Die durch die Interviews vermittelten Fremdwahrnehmungen von Räumen führte Klopf in dem Projekt Studio, das er gemeinsam mit Sigrid Kurz 2000 konzipierte, zu einer Reflexion über den eigenen Arbeitsraum. Das Ergebnis stellte eine Computeranimation dar, die sich auf die exakten Raumkoordinaten ihres gemeinsamen Ateliers gründete. Vor einem weißen Hintergrund zeigt die Animation die permanente Konstruktion und Dekonstruktion von Grund- und Aufrisslinien des Ateliers. Begleitet vom akustischen Eindruck einer Baustelle, erscheinen schließlich auch Inserts von E-Mails, die Klopf über einen Zeitraum von einem Jahr gesammelt und nach Sätzen über die Verortung in verschiedenen Städten selektiert hatte. Klopf interessierte in Studio zweierlei: Einerseits die Referenz des konkreten Ortes eines Absenders, andererseits die Ortsbeschreibungen in Kommunikationsprozessen. So entstand eine Geschichte über gegenwärtige Raum- und Zeitempfindungen. Verbunden mit einer speziellen Präsentationsform, welche die Animation in einer eigenen Screening-Box in der Galerie im Taxispalais in Innsbruck vorstellte, war in der Arbeit Studio eine der komplexesten Verknüpfungsmöglichkeiten von Raum und Kommunikationsstrukturen erreicht worden. Die Kommunikation über Räume wurde in dieser Installation selbst Raum einer Kommunikation.
ÖFFENTLICHER RAUM
Karl-Heinz Klopf realisierte in seinem bisherigen Gesamtwerk eine große Anzahl von architekturbezogenen Kunstprojekten und Arbeiten für den öffentlichen Raum. Das erste Werk bildete der gemeinsam mit Gerhard Knogler 1982 konzipierte “Zigarettenturm”. Obwohl das zehn Meter hohe Objekt vor einem Erweiterungsbau der Linzer Tabakfabrik durchaus einer von Denkmaltraditionen geprägten Skulpturenauffassung entsprach, war es durch die Situierung an einer viel befahrenen Kreuzung nicht nur auf eine urbane Situation hin ausgerichtet, sondern auch auf die Definition von städtischem Raum angelegt. Gleichzeitig bezogen die Künstler ihren “Zigarettenturm” auf die vom Architekten Peter Behrens skulptural ausgeprägte Heizanlage im Zentrum der Tabakfabrik sowie auf die Beiträge des in unmittelbarer Nähe situierten Forum Metall. Dabei entsprachen vor allem die Four Boxes von Donald Judd dem um Reduktion bemühten Form- und Gestaltungswillen der beiden Künstler.
Klopf realisierte in den folgenden Jahren mehrere Arbeiten im Innen- und Außenbereich in verschiedenen architektonischen Situationen. Unterschiedlich waren auch die Funktionen der entsprechenden Gebäude. Gemeinsames Merkmal sämtlicher Projekte des Künstlers ist die Erweiterung des Begriffsfeldes “Ortsbezug” durch eine permanente Bemühung um Transformationsprozesse von vorhandenem “Raum”. Insofern war schon der “Zigarettenturm” von 1982 signifikanter Hinweis auf eine Entwicklung, die sich hierauf immer stärker um transitorische Zustände zwischen Raum, Architektur und künstlerischem Projekt bemühen sollte. Vor dem Hintergrund dieses konzeptuellen Selbstverständnisses erklären sich auch die Verschränkungen der einzelnen Arbeitsbereiche des Künstlers. Teilweise werden Ideen sehr bewusst in unterschiedlichen räumlichen Situationen und Dimensionen durchgespielt. So arbeitete Klopf beim Projekt Play City (1999/2003) mit unzähligen kleinen Styroporkugeln. Er beobachtete die Entstehung von Strukturen und überprüfte ihre optische Wirkung (urbane Agglomerationen, Netzwerke, neuronale und biologische Systeme etc.) im Raum eines Modells.
Diese Überlegungen führten in einem weiteren Schritt zum Video Flying High (1999). Die Arbeits- und Wohnräume des Künstlers dienten für die Imaginierung eines scheinbaren Flugs über eine fiktive Landschaft, der sich Klopf beim 2004 ausgeführten Projekt Dribbling tatsächlich stellen konnte. Bei diesem Projekt im öffentlichen Raum integrierte er gemeinsam mit Sigrid Kurz 200 kreisförmige Flächen aus weißem Stein direkt in den Umraum des neu errichteten Fußballstadions in Wals-Siezenheim bei Salzburg. Was Klopf bei Play City noch als Versuchsanordnung im Modell erprobt hatte, wurde nunmehr real umgesetzt. Gleichzeitig entsprach das Konzept eines Fluges in Flying High der konkreten “Lesbarkeit” des späteren Kunstprojektes im öffentlichen Raum. Da das Fußballstadion unterhalb der Flugschneise des Salzburger Flughafens liegt, können die weißen Steinscheiben von den Flugzeugen aus selbst wie ein künstlerisch inszeniertes Modell in der Wirklichkeit wahrgenommen werden.
R-HAUS
Zwischen 2000 und 2004 entstand das R-Haus nach Plänen von Karl-Heinz Klopf in Hohenems in Vorarlberg. Nachdem sich der Künstler, der vor der Kunsthochschule eine Hochbauausbildung absolviert hatte, nun schon seit Jahren auf unterschiedlichsten Ebenen mit baugestalterischen Aufgaben auseinandergesetzt und gleichzeitig verschiedenste Projekte im Spannungsfeld zu architektonischen Situationen realisiert hatte, stellte das nunmehrige Haus erstmals eine vollständige Manifestation von planerischen und gestalterischen Überlegungen für konkrete Vorstellungen und Bedürfnisse dar.
Beim Haus für Roswitha Häfele wandte Klopf seine bisherigen Erfahrungen aus Ortsrecherchen, Funktionsprogrammen, Nutzungsmodellen, Formanalysen und Materialeinsatz an. So entstand ein Baukörper, der präzise an einem konkreten Ort eine für den Künstler repräsentative Raumform und Materialästhetik vorstellt. Das Gesamtkonzept folgte einer eingehenden Bemühung um Reduktion und Variabilität von Raumstrukturen. Dabei war Klopf besonders an Schnittstellen zwischen Außen- und Innenräumen bzw. Intimität und Öffentlichkeit interessiert. Er fokussierte zudem die Variabilität von architektonischen Elementen und die Definition von räumlichen Strukturen durch individuelle Nutzungsentscheidungen.
Standen bisherige Projekte auch immer im Zusammenhang mit einem Abstraktionsprozess von realräumlichen Installationen, so schuf R-Haus selbst Raum in Form einer kompletten Architektur, die in vielen Punkten den gekonnten und unkonventionellen Umgang mit Räumen, Formen und Materialien bauskulptural verkörpert.
DISPLAYS
By Way of Display betitelte Klopf ein 2003 realisiertes Video, in dem er den Umgang mit Vermarktungsphänomenen der sogenannten Betelnuss (Areca Catechu) in den urbanen Rand- und Zwischenzonen Taiwans thematisierte. Er untersuchte die spezielle raumökonomische und soziokulturelle Entwicklung rund um den Vertrieb dieser Frucht auf den Straßen Taiwans. Die kulturelle Einbettung der drogenähnlichen Betelnuss und die in vielen Details des Videos ablesbaren Hinweise auf die aktuelle Situation der taiwanesischen Wirtschaft bildeten gleichsam die Folie für eine Analyse von Präsentationsmechanismen – was insgesamt als eines der charakteristischsten Merkmale von Arbeiten des Künstlers gelten kann. In By Way of Display sind es die Glasboxen und Auslagen, in denen die kostümierten so genannten “betel nut beauties” auf Kundschaft warten.
Darüber hinaus findet der Begriff “Display” in seinen unterschiedlichen Bedeutungen differenzierte Anknüpfungspunkte im Werk des Künstlers. “Display” kann sowohl ikonographisch im Sinne einer Auseinandersetzung mit Präsentationsfragen gemeint sein, weiters als eine bewusste Hervorhebung verstanden werden. So arbeitete Klopf schon während seines Studiums an Studien, in denen er z.B. Buchstaben hochhielt und diese anschließend fotografierte. Das Bild mit dem Zeichen in der Hand erschien wie eine demonstrative Geste (to display) und stellte gleichzeitig auch unterschiedliche Bildebenen dar.
Diesen schon früh fassbaren Aspekt sollte Klopf besonders in seiner Serie Streets (1996–2006) konsequent weiter ausbauen. Den Ausgangspunkt liefert seine Faszination an der piktogrammartigen Darstellung von Straßenzügen in Japan. Aus der typischen Gestaltung derartiger Orientierungspläne entwickelte er ein System, bei dem er Gebäude, in denen er wohnt bzw. ausstellt (z.B. Hotels, Apartments, Galerien, etc.), umkreist und die umliegenden Straßenzüge (nun ebenfalls) skizziert. Daraus fertigt Klopf Plandarstellungen in der spezifisch japanischen Typologie und montiert sie schließlich auf ein Fenster des von ihm genutzten Gebäudes, das innerhalb der dargestellten Straßen liegt. Der Ausblick aus dem Fenster bildet mit dem integrierten Plan das Motiv der jeweiligen Fotoarbeit. Da die Fokussierung des Zeichens am Fenster den Hintergrund unscharf erscheinen lässt, koppelt die Aufnahme nicht nur mehrere Räume, sondern auch Informationsebenen – von der exakten Form des Zeichens bis zur unscharfen Ortsangabe – miteinander.
“Display” bedeutet im Werk des Künstlers schließlich auch eine sehr intensive Auseinandersetzung mit Fragen der eigenen Werkpräsentation bzw. auch der Ausstellungsarchitektur. Viele seiner Arbeiten schließen die Präsentationsform als integrativen Bestandteil der Werkkonzeption mit ein. Gleiches gilt für die Gestaltung von Ausstellungsprojekten bzw. bisherigen Publikationen des Künstlers.
MIND THE STEPS
Die Teilnahme an der 9. Biennale in Istanbul 2005 führte Klopf zu der Auseinandersetzung mit einer Stadt, die von einer großen Anzahl an kulturellen Identitäten und historischen Prägungen bestimmt wird. Klopfs Biennalebeitrag Mind the Steps bestand aus einer Auswahl von Treppen-anlagen, die das Stadtbild und somit auch die Bewegung im öffentlichen Raum der Millionenmetropole kennzeichnen. Sechs Treppen wurden mit Scheinwerfern hell ausgeleuchtet. Das bühnenartige Licht schuf als künstlerische Intervention skulpturale Wirkungsfelder im öffentlichen Raum. Dem Projekt war eine Phase der Recherche über den Begriff “Öffentlichkeit” in Istanbul vorausgegangen, wobei dem Künstler die Treppen immer signifikanter für das tägliche Leben in Istanbul erschienen.
An der Schnittstelle von Privatheit und Öffentlichkeit erweisen sich die Treppen vor den Häusern als unmittelbare Thematisierung von individuellen Gestaltungsmöglichkeiten und Eingriffen in die urbane Fläche. Jede einzelne Treppe stellt eine individuell gestaltete Maßnahme dar. Anders als etwa in westeuropäischen Städten folgen die Gestaltungen von Gehsteiganlagen in Istanbul keinem einheitlichen Plan.
Das Stückwerk, das trotzdem eine Gesamtheit an urbaner Fläche ergibt, wurde durch die künstlerische Arbeit von Klopf fokussiert und in seiner Grundstruktur evident gemacht. Einmal mehr zeigte das Projekt Mind the Steps Ergebnisse einer vielschichtig angelegten Analyse eines Stadtraums. Indem Klopf schließlich auch während der Eröffnungstage der Biennale ein eigenes Programm mit verschiedenen Konzerten und Performances auf den ausgewählten Plätzen organisierte, vermittelte Mind the Steps ein umfassendes Verständnis von der Konzeption, Funktion, Verortung und Rezeptionsmöglichkeit eines konkreten künstlerischen Projektes.
FROM/TO
Die Personale in der Landesgalerie setzt mit den “Planobjekten”, den Darstellungen von biografischen Orten des Künstlers an und spannt einen Bogen bis zu neuen Projekten und Installationen. Der Titel From/To vermittelt dazu das zeitliche, räumliche, kommunikative und inhaltliche Dazwischen im Sinne von Unterschieden und möglichen Verknüpfungen. Wichtig erschien bei der Konzeption des Gesamtprojekts einerseits die Langfristigkeit von Klopfs Auseinandersetzung mit städtischen Räumen und urbanen Sphären zu vermitteln und andererseits die vielfältigen persönlichen Erfahrungen und Anknüpfungspunkte des Künstlers aufzuzeigen. Geprägt von städtischen Lebensräumen und fasziniert von urbanen sowie virtuellen Agglomerationen interessiert Karl-Heinz Klopf nicht nur die Komplexität von Systemen, sondern vor allem ihre Transformierbarkeit in einen künstlerischen Prozess, den er inhaltlich und formal kompetent vorträgt.
Erschienen in: Karl-Heinz Klopf: From/To. Bielefeld/Leipzig, Kerber Verlag, 2007.