Karl-Heinz Klopf

30 DESTINATIONS

1998
O.K Centrum für Gegenwartskunst, Linz

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In der Installation fasste der Künstler auf einer 25 Meter langen Plane 30 biografisch besetzte Orte in planartiger Darstellung und in chronologischer Reihenfolge zusammen.

(30 Destinations, 1998; Installation: Acryllack auf Plane, 2 Monitore, Video, 300 x 2500 x 100 cm; Ausstellung Archiv X, O.K Centrum für Gegenwartskunst, Linz, 24. April–17. Juli 1998)

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In einem dem Darstellungsverfahren der Architektur verwandten Zeichensystem bearbeitet Karl-Heinz Klopf Räume und Orte, in denen er längere oder kürzere Zeit gelebt hat. Es entstehen komponierte Draufsichten biographischer Ortserinnerungen, die von aller physischen Eindrücklichkeit des Ortes gereinigt erscheinen und bis zur darunterliegenden, verallgemeinerbaren Signatur vordringen. Ein souveräner Blick verzichtet auf alles Akzidentelle der Raumwahrnehmung und definiert aus den vor Ort gewonnenen Eindrücken einen kompositorischen Bildausschnitt der Erinnerung. In einfachen Codes werden diese „Grundrisse“ mit Pinselstrichen auf Planen aufgetragen und über Rahmen gespannt. Diese „Planobjekte“ changieren zwischen Architektur, Malerei und Objekt. Vom Objektcharakter selbst gehen auch die Darstellungen der Erinnerungspläne aus, nicht von der geographischen Orientierung im Außenraum. Für den Betrachter erscheinen die komponierten Ausschnitte der Erinnerung wie Umkehrbilder, Negativabdrücke der Eindrücke: schraffierte weiße Flächen für Häuser, weiße Kreise für Bäume auf dunklem Grund. Gebäude werden zu Texturen, die Außenflächen bleiben glatt. Blendet man in der Betrachtung das Wissen, dass es sich um objektivierte Signaturen persönlicher Ortserinnerungen handelt, aus, und versucht man, auf das Lesen architektonischer Pläne zu verzichten, bleibt der Eindruck eines spannungsgeladenen Spiels der Komposition aus Flächen, Linien und reduzierter Farbgebung.

Das Gedächtnis als Umgebung für das Denken öffnet seine räumlichen Speicher, die Schichten der Erinnerungen werden freigelegt, bis zu dem, was man vor Ort nicht sehen kann: den Plan der Erinnerung selbst. Dieser Plan ist die Grundlage der Bildkomposition. So wie die Organisation des Gedächtnisses selbst häufig in räumlichen Metaphern beschrieben wird, organisiert Karl-Heinz Klopf sein persönliches Orts-Gedächtnis als abstrakte Pläne der Erinnerung. In Georges Perecs Buch „Träume von Räumen“ wird an der Vergegenwärtigung gesammelter Raumkonzentration gearbeitet: „Ich habe ein ungewöhnliches Erinnerungsvermögen. Es genügt einfach, dass ich die Augen schließe, sobald ich liege und mit einem Minimum an Konzentration an einen bestimmten Ort denke, damit mir fast gleich darauf alle Einzelheiten des Zimmers, die Lage der Türen und der Fenster, die Anordnung der Möbel wieder in den Sinn kommen, damit ich noch genauer, das fast physische Empfinden habe, wieder in diesem Zimmer zu liegen. Der wiedererweckte Raum des Zimmers genügt, die flüchtigsten, die albernsten wie die wichtigsten Erinnerungen aufzufrischen, zurückzubringen, wiederzubeleben.“ Häufig evoziert das Andenken des Raums die den Raum begleitenden Wahrnehmungen und Erfahrungen – sie bilden einen Gedächtnisort. Ein längerer Aufenthalt des Künstlers in Tokyo führte zu dem Projekt Splace (space/place). Die Auslotung einer von westlichen Raumtraditionen höchst unterschiedlichen urbanen Agglomeration erschien faszinierend. Karl-Heinz Klopf durchstreifte die Stadt mit Camcorder und Tonband und bannte die flüchtige Wahrnehmung von Orten in Bild und Ton. In dem Video Splace kommt die Stadt in ihrer Vielstimmigkeit zu Wort: einzelne Gebäude, die pulsierenden Adern des Metronetzes, Gespräche mit Tokiotern über ihre persönliche Umgebung. Aus den Überlagerungen der physischen Stadt, der bewohnten Stadt und der imaginierten Stadt entsteht eine vielschichtige Projektion von „Tokio“ als Erfahrungsraum. 30 Destinations bietet dem Besucher von Archiv X eine Gedächtniswanderung durch ausgewählte biographische Stationen. Auf einer langen Plane im Gang des Eingangsgeschosses sind sie in streng chronologischer Folge aneinandergereiht. Jeder Ort ist namentlich bezeichnet, durch einen Grundriss dargestellt und mit einer kurzen Texterklärung versehen. Zwei synchron geschaltete Monitore flankieren die Installation, sie zeigen Teile früherer Videodokumentationen der einzelnen Orte sowie die Entstehung von 30 Destinations. Karl-Heinz Klopf arbeitete im Mediendeck des O.K an der Plane, gab Kommentare und persönliche Erläuterungen zu den einzelnen Stationen und wurde dabei auf Video aufgenommen. Die Orte gewinnen Konturen und lassen die Betrachter in ein gegenwärtiges Archiv fremder Erinnerungen und Assoziationen eintauchen. Die unterschiedlichen medialen Darstellungsformen der einzelnen Orte, die Verbindung des Archivmaterials mit der aktuellen Aufzeichnung lassen ein mehrschichtiges Bild der Konstruktion des Erinnerns entstehen. Dann beginnt die Wanderung der Besucher entlang der biographischen Stationen durch den Gang – Rainbach, Tlaquepaque, Santa Fe, Toritsu Dai, Les Landries ...

„Es ist meine Erinnerung an spezifische Gebäude/Orte, die diese Darstellungen ermöglichen. Diese Art der Zeichnungen sind nichts anderes als eine Form der Beschreibung - in einem Abstraktionsgrad, der für mich ähnlich wie der gesprochene oder geschriebene Text auch viele Möglichkeiten der Projektion der Rezipienten offenlässt. Für die meisten, die diese Orte nicht kennen, erscheinen vielleicht meine Lagepläne wie ein poetischer Text. Ich sehe das manchmal auch so. Das 'Archiv' dieser Erinnerungen ist für mich auch eine Metapher für den räumlichen und somit auch kulturellen Aktionsradius, der heute möglich und gleichzeitig selbstverständlich ist.“
(Karl-Heinz Klopf)

(Dieser Text von erschien in Archiv X, Ermittlungen der Gegenwartskunst, O.K Centrum für Gegenwartskunst, Linz 1998.)

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